Karfreitag

Sei nicht fern

Jesus stirbt am Kreuz. Sein Leben endet mit einem Fragezeichen. 

"Mein Gott, mein Gott!
Warum hast du mich verlassen?"

Das sagt Jesus, bevor er stirbt.
Jesus zitiert Psalm 22,2. 

Die alte Frage, die,
selbst gestellt,
so brennend wird:
Warum? Und wo bist du, Gott? 

In demselben Psalm 22 im Alten Testament steht: "Sei nicht ferne, denn meine Angst ist nahe und da ist kein Helfer." 

Dazu gibt es dieses Hörstück: langsam, tröstend.

 

 

Gebet

Wenn alles
unter den Händen zerrint;

wenn nichts bleibt
und alles vergeht -

dann, Herr,
erbarme dich unser!

 

Gedanken

Karfreitag.
Jesus stirbt am Kreuz.

Unser Glaube ist kein Schönwetterglaube. Unser Glaube ist mehr als die Freude über das Christkind. Mehr als der Dank für die gute Ernte. Mehr als die Segensbitte für Säuglinge und Brautpaare. Das alles ist wunderbar und gehört dazu. Aber unser Glaube soll uns auch helfen, mit dunklen, schweren Erfahrungen umzugehen.

Wie können wir den Gott wiederfinden, der unser guter Hirte ist? Dem wir vertrauen? Und der uns trägt, auch in schweren Zeiten.

Ich glaube, am Karfreitag hat Gott selbst eine Antwort auf diese Frage gegeben. Seine Antwort ist: Er steigt selbst herab zu uns in die Dunkelheit. In Christus erlebt er selbst die Verlassenheit und die Angst des Todes. Er zieht uns nicht einfach zu sich ins Licht, sondern teilt mit uns die höchste Not.

 

Das Ur-Vertrauen des Kindes bekommt Risse. Wie viele Bruchstücke sammeln sich in einem Leben! Bruchstücke von enttäuschter Hoffnung, zerbrochenen Beziehungen. Es liegt vieles in Scherben, auch wenn ein naher Mensch stirbt. Der Tod: da sind alle Kräfte verbraucht ein für allemal. Der Tod ist das endgültige Ende, das ist seine Macht.

 

Warum hast du mich verlassen?

Der Beter des Psalm 22 und Jesus selbst am Kreuz fragten das: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Viele Menschen nach Jesus fragten und fragen so.

Psalm 22:
„Ich bin ausgeschüttet wie Wasser!“
„Und mein Herz in meinem Leibe ist wie zerschmolzenes Wachs.“

Das Gefühl: Ich kann nicht mehr. 

 

Trauer.

Über Jesu Tod.

Und über eigene Verluste.
Ein Mensch, der ging.
Eine verlorene Freundschaft.
Verlorene Gesundheit.
Es geht nicht mehr, wie es mal war.

Wie nahe Jesus uns kommt in seinem Leid! 
Er stirbt mit einer Frage auf den Lippen: Mein Gott, warum hast du mich verlassen?

„Und deshalb liebe ich ihn“, schrieb Albert Camus.

 

Aber nicht nur das kommt heute zusammen, die Empörung, die Traurigkeit.
Nein, heute, Karfreitag, ist auch ein Tag der Heilung.
Denn auch im Tod ist Gott.
In Jesu Tod. In unserem eigenen.
In Jesu Leid. Und unserem. 

Jesu Arme am Kreuz haben auch etwas Segnendes.
Lothar Zenetti schrieb:

Er starb, wie er lebte
Und lebt, wie er starb
Mit ausgebreiteten Armen

Das ist unser Trost.

 

Karfreitag heute erleben Menschen,
die von der langen Zeit der Corona-Pandemie erschöpft sind.
Menschen, die Angst vor dem Krieg im Osten Europas haben,
die wütend sind auf den skrupellosen russischen Präsidenten Putin
und dessen brutalen Angriffskrieg;
Menschen, die Mitleid haben mit den Opfern des Krieges.
 

Viele von ihnen fragen:
Stimmt es wirklich mit der Botschaft vom Leben,
das stärker ist als der Tod?

Was bleibt bei all dem an Hoffnung?

Matthias Horx, Zukunftsforscher aus Wien, prägte den Satz:
Was Hoffnung zerstört, ist Traumatisierung. Was sie ermöglicht, ist Trauer.

Noch ist Karfreitag.
Tod und Auferstehung kann man eigentlich nicht in einem Atemzug nennen.
Weil nun mal die Welt den Atem anhält, wenn einer und wenn viele sterben. 

Erst später kam Jesus aus dem Tod zum Leben.
Erst später fanden die Frauen und Gefährten,
die das alles sahen, aus dem Schock und der Trauer
ins Leben.

Viele Jahre später schrieb Paulus

Und weder Tod noch Leben,
weder Engel noch Mächte noch Gewalten,
weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur
kann uns scheiden von der Liebe,
die in Christus Jesus ist.
(Röm 8,38f)

Das ist unser Trost.

 

Beten

Ich erinnere mich an das Leben Jesu:
Er hat das Dunkel der Welt und des Todes erlitten.

Ich suche Licht und Heil.
Ich denke an Jesus, gestorben.

Hier bin ich, vor dir.
Und ich bekenne vor dir, mein Gott:
Ich bin nicht so, wie du mich haben willst.
Ich täusche andere.
Übersehe ihre Not. Vergib mir und sei mir Sünder gnädig!

Ich klage vor dir, mein Gott:
Ich trage Widersprüche mit mir herum.
Ängste, Sorgen, meine innere Not.
Hilf mir und sei mir gnädig!

Ich will es sagen vor dir, mein Gott:
Ich suche nach meinem Gleichgewicht.
Ich suche nach Ruhe, nach Sinn, nach meiner Mitte.
Ich bewege mich hin und her, gleichgültig in meinem Leben,
nehme was kommt.

Lass mich dich finden und sei mir gnädig.
Beuge dich herab in mein Leben.
Hier bin ich.
Amen.

 

Segen

Gott segne dich.
Der Herr behüte dich vor allem Übel.
Er behüte deine Seele.
Er behüte deinen Ausgang und Eingang
von nun an bis in Ewigkeit.
Gehe im Frieden Gottes.

Amen.